«ICH KOMME SCHNELLER VORWäRTS, ALS SIE WOHL GEDACHT HABEN» – JAN CHRISTENS WEG NACH OBEN

Jan Christen kehrt an die Tour de Romandie zurück, an der er vor Jahresfrist sein Debüt auf Stufe World Tour gab. Der 19-jährige Aargauer geht seinen Weg, der ihn womöglich einst ganz an die Weltspitze führen wird, schneller als erwartet.

«Es läuft alles nach Plan», bilanziert Jan Christen die vergangenen Monate. Als Höhepunkt hebt er im Vorfeld der heute Dienstag beginnenend Tour de Romandie den ersten Sieg bei den Profis hervor, den er vor knapp zwei Wochen im Rahmen des Giro d'Abruzzo feierte. Noch vor seinem 20. Geburtstag setzte das Talent einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere.

Das Potenzial, das im Gippinger schlummert, ist längst bekannt. Die erfolgreichen Junioren-Jahre bescherten ihm als Weltmeister im Radquer, Europameister auf der Strasse, WM-Zweiten im Mountainbike und Schweizer Meister in den Disziplinen Bahn, Radquer, Mountainbike und Zeitfahren nicht nur Titel und Medaillen, sondern im Sommer 2022 auch einen Fünfjahres-Vertrag beim World-Tour-Team UAE Emirates mit Leader Tadej Pogacar. Bis 2028 ist Christens sportliche Zukunft geregelt.

Christens erster Sieg bei den «Grossen» vor zwei Wochen.

«Bei UAE Emirates zählt der Sieg»

In dieser Top-Mannschaft fangen auch die grossen Zukunftshoffnungen unten an. Es gilt, Schritt für Schritt zu nehmen, denn die Hierarchien sind nicht flach. Der sportliche Leiter hat das Sagen. Er legt fest, wer wann eine Chance erhält. «Dass ich gleich beim ersten Mal abgeliefert habe, freut mich mega», nimmt Christen nochmals Bezug auf seinen Triumph in den Abruzzen, den er nach mehreren Angriffen solo herausgefahren hat. «Bei UAE Emirates zählt der Sieg. Da ist schon ein Druck vorhanden», gibt er zu bedenken. Er komme mit dieser Belastung aber gut zurecht.

«Ich darf in dieser Mannschaft Schritt für Schritt gehen», bestätigt der Aargauer. «Aber ich komme schneller vorwärts, als sie wohl gedacht haben.» Dabei spricht Christen nicht nur die Resultate oder die Aufgebote an, sondern auch die Trainingswerte oder die zwei krankheitsbedingten Ausfälle in diesem Jahr, die ihn kaum zurückwarfen.

Weiterhin ein Allrounder

Bruno Diethelm, Christens Trainer in dessen Junioren-Jahren, attestiert nicht nur seinem einstigen Schützling, sondern auch den Verantwortlichen beim Team UAE Emirates sehr gute Arbeit. «Sie pressen Jan nicht aus, sie schenken ihm Vertrauen und Zeit. Meiner Meinung nach halten sie ihn eher zurück.»

Der Thuner, der lange Zeit in Diensten von Swiss Cycling gearbeitet hat, sieht Christen weiterhin auf dem Weg zum Allrounder. «Jan kann sich in den Sprints ideal positionieren, er kommt sehr gut den Berg rauf, er ist ein starker Zeitfahrer und hat eine gute Erholungsfähigkeit – wie Tadej Pogacar.»

Helfer-Dienste gefragt

Vor einem Jahr war der Junior in der Rundfahrt durch die Westschweiz noch als Nachwuchsfahrer als Teil des Schweizer Nationalteams unterwegs gewesen. Christen bestritt damals erst sein zweites Rennen mit dem Funk ihm Ohr und lernte, dass die Etappen teamlastiger und taktischer gefahren werden als in den tieferen Kategorien.

Beim Team UAE Emirates gehört es nun zum Alltag, die Anweisungen aus dem Wagen des sportlichen Leiters umzusetzen. Da die Equipe nicht nur auf Pogacar setzt, sondern breit aufgestellt ist, muss sich Christen noch eine Weile gedulden, bis er an Rundfahrten auf das Gesamtklassement fahren darf. An der Tour de Romandie treten der Brite Adam Yates und der Spanier Juan Ayuso als Leader an. Vom jungen Schweizer sind primär Helferdienste gefragt. Das wird auch an der Tour de Suisse im Juni so sein.

An der Rad-WM im Herbst in Zürich sieht dies aber anders aus. Dort plant Christen einen Start in der U23-Kategorie und dürfte im Zeitfahren als Favorit antreten.

Das sind die Favoriten …

Die Tour de Romandie 2024 steht aus meteorologischer Sicht unter einem besonderen Stern. Bei garstigen Bedingungen, kälter als an Weihnachten, wird ein wetterfester Champion gesucht. Adam Yates tritt in der Westschweiz an, um den Gesamtsieg aus dem Vorjahr zu wiederholen.

Gefahr für UAE Emirates geht vor allem vom Team Bora-hansgrohe aus. Die Deutschen stellen mit Alexander Wlassow nicht nur den Sieger der Ausgabe 2022, sondern mit dem Australier Jay Hindley auch den Gewinner des Giro d'Italia im selben Jahr. Hinzu kommt der kolumbianische Kletterer Sergio Higuita, der mit den Bergankünften in Les Marécottes (2. Etappe) und Leysin (4. Etappe) ein geeignetes Terrain vorfindet.

Trotz der Abwesenheit der grossen Champions wird mit Egan Bernal ein ehemaliger Gewinner der Tour de France auf den Strassen der Westschweiz mit von der Partie sein. Mehr als zwei Jahre nach seinem schweren Unfall, der ihn sieben Monate lang vom Peloton fern hielt, gehört der Kolumbianer von Ineos Grenadiers wieder zu den Aussenseitern und kann auf einen 3. Platz bei der Katalonien-Rundfahrt zurückblicken.

Erst am Sonntag gab der zweifache Weltmeister Julian Alaphilippe (2020 und 2021) die Zusage. Der Franzose, der die Verletzungen beim Sturz anlässlich Strade Bianche endgültig auskuriert hat, will sich primär auf den Giro d'Italia vorbereiten. Mit Olympiasieger Richard Carapaz aus Ecuador startet ein weiterer Fahrer mit klangvollem Namen, dessen Teilnahme erst in letzter Minute bekannt gegeben wurde.

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… und die Schweizer

Die 667 km mit rund 11'000 Höhenmetern nehmen von Dienstag bis Sonntag auch über ein Dutzend Schweizer in Angriff. Die Rundfahrt besteht aus einem Prolog und fünf Etappen, darunter ein Zeitfahren am vierten Tag. Aussichtsreichster Schweizer Kandidat mit Blick auf das Gesamtklassement heisst Yannis Voisard. Der Jurassier fährt für das Team Tudor von Fabian Cancellara. Als bislang letzter Schweizer schaffte Stefan Küng 2019 in der Tour de Romandie einen Tagessieg. (ram/sda)

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