«HIRSCHERS COMEBACK? ICH DACHTE, ES SEI EIN SPäTER APRIL-SCHERZ»

Der einstige Abfahrtsdominator (49) sagt, die Rückkehr von Marcel Hirscher in den Ski-Weltcup nach fünf Saisons Pause sei eine krasse Sache. Dennoch traut er dem Österreicher einiges zu.

Marcel Hirscher kehrt in den Weltcup zurück. Ist ein Comeback nach fünf Jahren Absenz nicht ein wenig verrückt?

Fünf Saisons Pause sind schon sehr, sehr viel, das ist eine krasse Sache. Aber Hirscher hat intensiv Ski getestet in den letzten Jahren, im Sommer und im Winter, er stand relativ häufig auf den Rennski. Wahrscheinlich hätte es keinen besseren Tester geben können für Henrik Kristoffersen und Timon Haugan (die bei Hirschers Skimarke Van Deer unter Vertrag stehen). Er fängt definitiv nicht bei null an. Und er ist ein extremer Typ, das wird ihm helfen.

Wie meinen Sie das?

Er hat die Fähigkeit, einem Ziel alles unterzuordnen, mit einer bedingungslosen Akribie zu trainieren. Wie man auf Bildern sehen kann, ist er fit geblieben. Offenbar hat er in den letzten Jahren viel Sport getrieben, auch im Kraft- und Ausdauerbereich. Ich denke, 70 oder gar 80 Prozent seiner früheren Fitness hat er behalten, den Rest wird er in diesem Sommer aufholen. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich von den meisten Athleten, die aufgehört haben.

Wie fit waren Sie fünf Jahre nach dem Rücktritt?

Ich hörte 2012 auf, 2017 befand ich mich in einer anderen Welt. Natürlich habe ich noch viel Sport getrieben, ich war auf den Langlaufski, fuhr Mountainbike. Aber ich machte es nach Lust und Laune, nicht mit letzter Konsequenz. Ich wäre also chancenlos gewesen, ein Comeback hätte nullkommanull Sinn ergeben. Aber ich war damals auch schon 43. Ski gefahren bin ich noch regelmässig, als Markenbotschafter von Head hatte ich aber keine Rennski an den Füssen. Mit diesen braucht es viel mehr Kraft in den Beinen. Kurz: Nach fünf Jahren wiederzukommen, das schafft wohl fast keiner.

Hatten Sie mit Hirschers Comeback gerechnet?

Niemals. Ich dachte, das sei ein verspäteter Aprilscherz. Ich denke auch, dass viele Fahrer, Trainer und Offizielle geschockt waren.

Hirscher hörte schon mit 30 auf …

… was mich damals extrem überrascht hatte. Er war noch klar die Nummer 1, hätte noch viele Siege einfahren können. Aber klar, er war ein Jahrzehnt lang ganz oben, spürte grossen Druck, der Rummel um ihn war gewaltig – gerade in einem skiverrückten Land wie Österreich. Das hat ihn sicher belastet und ihm vieles abverlangt, der Erfolg hat manchmal auch seine Schattenseiten. Kurz nach seinem Rücktritt dachte ich schon, dass er wieder kommen könnte. Aber schon nach einem Jahr Pause war dieses Thema für mich erledigt.

Was trauen Sie ihm im nächsten Winter zu?

Die Ausgangslage ist zunächst schwierig, er muss sich in den Startlisten verbessern, das wird auch bei ihm eine Zeit lang dauern. Aber er wird fit sein, hundertprozentig. Hirscher kommt nicht nur aus PR-Gründen zurück. Im Slalom ist alles extrem eng, aber ich traue ihm zu, irgendwann in die Top 5 zu fahren, vielleicht liegt gar das Podest drin. Im Riesenslalom hat es hinter Marco Odermatt ein bisschen Platz. Mit Top-15-Plätzen wird sich Hirscher nicht zufriedengeben.

Sie sind noch selbst gegen Hirscher gefahren. Wie haben Sie ihn damals erlebt?

Da befand er sich in seiner frühen Karrierephase. Viel geredet hat er nicht, aber wir haben uns auch nur an den Riesenslaloms getroffen. Auffällig waren seine Zielorientiertheit und seine Akribie. In dieser Hinsicht waren wir uns ähnlich.

Was bedeutet sein Comeback für den Skiweltcup?

Es ist ein Segen. Lucas Braathen kommt zurück, Hirscher kommt zurück, sie fahren für Brasilien und Holland – das sind spezielle Geschichten. Das tut dem Weltcup gut. Ich hoffe nur, dass nicht nur Hirscher im Fokus stehen wird, dass nicht alle Aufmerksamkeit auf ihn fällt. Das würde der Szene nicht gerecht werden.

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