EIN VERGESSENER DARF DIE ZüRCHER STARS NERVEN – AUCH DANK EINER SPEZIELLEN REGEL

Im Schatten der prominenten Teamkollegen spielt Lausannes Ken Jäger bislang einen grandiosen Final. Die gute Nachricht für die ZSC Lions: In den Heimspielen können sie seinen Einfluss brechen.

Dieser Final ist ein Auf und Ab der Emotionen. Auch darum ist er grandios und vielfältig. Auf ihre starke Reaktion in Spiel 3 letzten Samstag liessen die Zürcher dieses 2:5 in Lausanne folgen. Es war ihre zweite Auswärtsniederlage, während sie zu Hause zweimal gewannen.

In Spiel 2 war es noch Lausannes Playoff-Monster gewesen. Michael Raffl tat dem ZSC auf alle möglichen Arten weh: Tore, Härte, Checks – darunter waren auch Aktionen im Graubereich. Und es war auch zwei Tage später zunächst unübersehbar, dass sich der Österreicher im Kopf der Lions eingenistet hatte. Kam er angebraust, war es nicht mehr allen Zürchern wohl.

Doch Raffl ist 35, er hat eine Saison mit einer langen und komplizierten Verletzungsgeschichte hinter sich, er kann sein Ding nicht jeden zweiten Abend mit derselben Intensität durchziehen. Sein Einfluss wurde zuletzt kleiner.

Das hindert Lausannes Trainer Geoff Ward nicht, seinen Terrier weiterhin auf Zürichs Topformation anzusetzen. Am Dienstag bekamen es Denis Malgin, Sven Andrighetto und Rudolfs Balcers fast ausschliesslich mit Raffl und Co. zu tun. Aus gutem Grund: Denn auch wenn dem ZSC-Trio ein wunderbarer Treffer gelang, allerdings begünstigt durch einen Lausanner Wechselfehler, bekundet es weiterhin Mühe – aber nicht nur Raffls wegen. Bei all dem (medialen) Getöse zuletzt um den Österreicher gingen seine Linienlinienkollegen Tim Bozon und vor allem Ken Jäger unter. Letzterer spielt bislang im Schatten aller spektakulären Stars einen grandiosen Final.

Sogar zu Arno Del Curto sagte er Nein

Ken Jäger? Nicht allen Gelegenheitsfans des Schweizer Eishockeysports, die nun beim Final reinzappen, dürfte der 25-Jährige ein Begriff sein. Raffls Story, die ihn von der zweithöchsten Liga Schwedens in die NHL führte, ist speziell, jene Jägers steht ihr in nichts nach. Und sie geht kurz zusammengefasst so: Der Davoser hat 2015 in seinem ersten Jahr im U-20-Team Mühe, überhaupt auf höchster Juniorenstufe Fuss zu fassen. Er ist schmächtig, hat Wachstumsprobleme, er ist bei weitem noch nicht der 1,86 Meter grosse Stürmer von heute.

Sein Trainer Anders Olsson sieht zwar das grosse Potenzial. Er bemängelt aber auch Jägers Effort und konfisziert als symbolische Geste seinen NHL-Pullover der Pittsburgh Penguins, den er so gern in der Kabine trägt – er solle sich dieses prominente Logo zunächst verdienen. Als weiteren Weckruf gibt es für Jäger die Degradierung für eine Partie nach Chur in eine Juniorenliga tiefer. Er wirkt. Danach geht es für den scheuen, aber smarten Spieler stetig bergauf. Ein Jahr später ist er ein dominanter Spieler im Davoser U-20-Team. Und er trifft einen bemerkenswerten Entscheid: Er widersteht dem Lockruf Arno Del Curtos für das Profiteam.

Jäger wagt lieber den in seiner Situation äusserst mutigen und optimistischen Schritt nach Schweden zu Rögle. Dort landet er aber nicht unerwartet via Juniorenteam in der zweithöchsten Liga. In der Schweiz gerät er nun komplett in Vergessenheit. Lausanne holt ihn erst nach zwei Jahren zurück, mit einem finanziell ungemein guten Angebot. Es ist die Zeit, als beim LHC das Geld locker sitzt.

Doch diese Investition lohnt sich, in seiner vierten Saison ist Jäger mittlerweile ein vielseitiger, zuverlässiger und dominanter Center – ein WM-Aufgebot ist nur noch eine Frage der Zeit. Er geniesst nun auch im Final in allen Lagen das volle Vertrauen seines Trainers. Darum darf er in den Heimspielen Malgin und Co. frustrieren.

Nun ist wieder Marc Crawford dran

Wird er das aber auch in Spiel 5 in Zürich tun können? Wahrscheinlich nicht. Denn hier kommt eine simple Eishockeyregel ins Spiel, die Ward bisher nutzen konnte, um die Partien in Lausanne in eine ganz andere Richtung zu lenken als jene in Zürich: Das Heimteam hat jeweils das Recht auf den letzten Wechsel.

Die Zahlen sind eindrücklich: Jägers Linie traf in den Spielen 2 und 4 zusammengezählt bei 28 ihrer 34 Einsätze auf Malgin, in Spiel 3 dazwischen hingegen nur bei 3 ihrer 18. Das ist kein Zufall. Ward steht auf typisch nordamerikanische Linienduelle, er machte dieses Spielchen bereits im Viertelfinal gegen Davos, als die Jäger-Linie vor allem auf Enzo Corvi und damit den talentiertesten HCD-Center traf.

In Zürich hingegen konnte Marc Crawford dies verhindern, dort hat der ZSC-Trainer den letzten Wechsel. Er hielt seine Toplinie fern von Jäger und Raffl, er brachte sie vor allem gegen Lausannes Linien 4 (Almond) und 3 (Fuchs). Jäger und Raffl nervte er gleichzeitig mit einer ganz anderen Affiche: In 9 von 18 Einsätzen prallte sie auf die vierte ZSC-Linie um den aufsässigen Justin Sigrist.

2:2 steht das finale Best-of-7, bisher gewann stets das Heimteam, auch weil es mit entsprechendem Coaching, das sich nur zu Hause konsequent durchziehen lässt, Vorteile verschaffen konnte. Das Duell ist ausgeglichen, jedes Detail kann entscheidend sein. Auch darum ist dieses 2:5 kein Grund für Panik in Zürich. Malgins Linie dürfte am Donnerstag wieder besser zur Geltung kommen. Dennoch wird sie dieses Spiel zu einer deutlichen Leistungssteigerung nützen müssen. Sie brilliert bislang fast ausschliesslich im Spiel mit dem Puck. Und das ist in einem Playoff-Final nicht bloss ein Detail.

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