DAS SCHWEIGEN DES HEXERS: DER SCHWARZE ABEND DES ZSC-TORHüTERS SIMON HRUBEC LäSST LAUSANNE DIE PLAY-OFF-FINALSERIE AUSGLEICHEN

Marc Crawford hat in seiner langen, mehr als drei Jahrzehnte umspannenden Trainerkarriere im Eishockey schon ein paar fähige Torhüter in seinen Reihen gehabt. Als er mit den Colorado Avalanche 1996 den Stanley-Cup gewann, hiess seine Nummer 1 Patrick Roy, einer der legendärsten Goalies der NHL-Historie.

Im kanadischen Nationalteam coachte er Martin Brodeur, in Chicago Marc-André Fleury – beides mehrfache Stanley-Cup-Sieger. Kurz: Es will etwas heissen, wenn Crawford sagt, dass Simon Hrubec einer der besten Torhüter sei, die je für ihn gespielt hätten: «Ich will nicht vergleichen. Aber er ist ganz oben dabei. Ein sehr fleissiger Arbeiter und mental enorm stark.»

Es ist Dienstagabend, kurz vor 23 Uhr, als Crawford zu einer kleinen Verteidigungsrede für Hrubec ansetzt. Gerade hat der ZSC Spiel 4 der Play-off-Finalserie in Lausanne verloren, 2:5, und das nicht zuletzt wegen des tschechischen Torhüters.

Hrubec, 32, hat dem ZSC seit seiner Verpflichtung im Sommer 2022 wichtige Dienste erwiesen, man darf ihn getrost als besten Goalie der National League bezeichnen. Aber in Lausanne erlebte er einen Abend zum Vergessen, die Schüsse zum 0:2 und 1:3 würde er normalerweise im Schlaf parieren; es waren ungewohnte Malheurs zur Unzeit.

Man hätte Hrubec gerne selbst zu seiner Darbietung befragt, doch der Tscheche ist im Play-off nicht zu sprechen. Er führt eine einst von Arno Del Curto in Davos eingeführte Unsitte weiter, nach der Torhüter während der Play-offs für Interviews nicht zur Verfügung stehen; Leonardo Genoni führte die Tradition danach stoisch fort, als wäre er ein melancholischer Schweiger, der gerade aus einem Film von Aki Kaurismäki entstiegen ist.

Der Verteidiger Yannick Weber sagt: «So gewinnst du keinen Titel»

Und jetzt also Hrubec. «Wir haben diesen Entscheid gemeinsam gefällt. Er soll sich auf den Sport fokussieren. Es gibt genügend Spieler, die gerne reden», sagt der ZSC-Sportchef Sven Leuenberger.

Was natürlich stimmt, Hrubecs Antipode Connor Hughes beispielsweise freut sich sogar, wenn man sich für die Geschichte seines faszinierenden Aufstiegs interessiert.

Die Verweigerung des ZSC ist eine eigenartige Haltung; eine solche Sonderregelung wäre beispielsweise in den grossen nordamerikanischen Sportligen undenkbar. Dort gibt es klare Vorschriften, selbst Superstars wie LeBron James oder Patrick Mahomes stehen nach jeder Partie zur Verfügung. Für Verfehlungen gibt es saftige Bussen. Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil die Liga und die Klubbesitzer wissen, was die wichtigste Geldquelle ist: Es sind die Medienrechte.

In der National League fliessen allein für die TV-Rechte pro Jahr 30 Millionen Franken. Man würde erwarten, dass der Hauptlizenznehmer MySports bei all den finanziellen Zuwendungen nach der bisher wichtigsten Partie der Saison mit der Schlüsselfigur sprechen kann.

Doch das sind Debatten für andere Tage. Für den ZSC geht es darum, sicherzustellen, dass ihm diese Serie nicht noch entgleitet. Nachdem die Zürcher mit neun Siegen in Serie ins Play-off gestartet waren, wirkten sie in Lausanne nun zum zweiten Mal verwundbar. Der Verteidiger und Teamleader Christian Marti versuchte zwar, die Situation zu relativieren, und sagte: «Es ist der Final, Lausanne ist ein sehr guter Gegner. Wir haben nicht erwartet, dass wir in Jeans hier runterfahren können und uns der Sieg geschenkt wird. Das wäre zwar schön, aber es ist nun mal nicht so.»

Aber er sagte auch: «Wir erhalten im Moment zu viele Gegentore. Lausanne kommt mit viel Speed durch die Mittelzone. Damit tun wir uns schwer.» Und sein Abwehrkollege Yannick Weber sagte gar: «So holst du keinen Titel.»

Versöhnlicher klang der Coach Crawford, der sagte, er habe viele gute Dinge gesehen. Der Kanadier trauerte den nicht genutzten Topchancen während einer 97-sekündigen doppelten Überzahl im Mitteldrittel nach: «Einmal trafen wir die Latte und einmal das leere Tor nicht. So ist Hockey manchmal. Wir müssen diesen Abend schnell vergessen und nach vorne schauen.»

Sieben Heimsiege in einem Play-off-Final letztmals 2007

Ein Goldfisch-ähnliches Gedächtnis ist im Play-off von Vorteil, aber es gibt schon Dinge, an die es sich für den ZSC zu erinnern lohnt: Die Zürcher sind in dieser Serie noch immer der Favorit. Sie waren das beste Team der Qualifikation und fanden im Play-off bisher auf alles eine Antwort.

Im Final siegte bisher stets das Heimteam, es schadet also bestimmt nicht, dass der Heimvorteil beim ZSC liegt. Wobei es erst einmal vorgekommen ist, dass ein Final sieben Heimsiege zutage förderte: 2007 rang der Rekordmeister Davos den SC Bern in der Belle 1:0 nieder.

Den entscheidenden Shutout bewerkstelligte damals Jonas Hiller, einer der besten Torhüter in der Geschichte des Schweizer Eishockeys. Auch Hrubec war es schon vergönnt, sein Team mit reiner Weste zum Titel zu hexen: Im April 2021 gewann er in der KHL mit Awangard Omsk die entscheidende sechste Finalpartie 1:0.

Mit dem ZSC spielte Hrubec in diesem Play-off bereits dreimal zu null. Es würde nicht überraschen, gelänge ihm am Donnerstag in der Swiss-Life-Arena eine starke Reaktion. Das Vertrauen Crawfords jedenfalls ist unerschütterlich. Der ZSC-Coach sagte: «Simon hat uns schon so viele Spiele gewonnen, ich mache mir überhaupt keine Sorgen um ihn.»

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