«DANN STEIGT DAS HERZINFARKTRISIKO AUCH IM JüNGEREN ALTER»

Nach dem Tod des Marathonläufers Adrian Lehmann sagt Ardan Saguner, wie es schon ab 30 Jahren zu Herzproblemen kommen kann und worauf man achten muss.

Der Schweizer Marathonläufer Adrian Lehmann ist am Samstagabend an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Den Herzinfarkt hatte Lehmann am Donnerstag in den Vorbereitungen zum Zürich Marathon erlitten. Er war 34 Jahre alt. Seither fragen sich viele, wie es bei einem jungen, fitten Sportler zu einem Herzinfarkt kommen kann.

Der Kardiologe und Herzrhythmusspezialist Ardan Saguner ist Leitender Arzt am Universitätsspital Zürich und forscht zu den Ursachen des plötzlichen Herztodes bei jungen Menschen.

Immer wieder sorgen Zusammenbrüche junger Sportler für Schlagzeilen. 2021 beispielsweise traf es den dänischen Fussballer Christian Eriksen. Während eines EM-Spiels blieb Eriksens Herz plötzlich stehen. Dank sofortiger medizinischer Versorgung überlebte der Däne und spielt heute noch immer als Fussballprofi. Doch die beiden Schicksale lassen sich nicht vergleichen. Denn Eriksen hatte keinen Herzinfarkt. Sein Herz hörte wegen einer Rhythmusstörung auf zu schlagen.

Herr Saguner, ohne auf den konkreten Fall von Adrian Lehmann einzugehen, was passiert bei einem Herzinfarkt?

Bei einem Herzinfarkt verstopft eine der Herzkranzarterien. Dadurch bekommt das Herz zu wenig Sauerstoff, und ein Teil des Herzmuskels, der von diesem Gefäss versorgt wird, stirbt ab, wenn dieses Gefäss nicht rasch wiedereröffnet wird. Gleichzeitig kann es durch die fehlende Durchblutung des Herzmuskels zu lebensgefährlichen Rhythmusstörungen wie Kammerflimmern kommen. Das wiederum führt zu einen Herzstillstand und, wenn nicht schnell behandelt, zum Herztod.

Zu den lebensgefährlichen Rhythmusstörungen und einem Herzstillstand kann es aber, wie bei dem Fussballer Eriksen, auch ohne Herzinfarkt kommen?

Ja. Das kann auch durch eine angeborene, unentdeckte Herzerkrankung oder durch eine Herzmuskelentzündung ausgelöst werden. Bei diesen lebensgefährlichen Rhythmusstörungen spielen die normalerweise zielgerichteten elektrischen Impulse im Herz verrückt. Als Folge davon zieht sich der Herzmuskel nicht mehr effektiv zusammen, und das Herz bleibt stehen. Behandeln lässt sich das mit sofortigen Reanimationsmassnahmen und einem Defibrillator. Der Defibrillator bringt das Herz zurück in den Takt.

Aber bei einem Herzinfarkt ist die Situation noch komplizierter?

Ja, bei einem Herzinfarkt hat man das zusätzliche Problem, dass ein Gefäss verstopft ist, das man möglichst rasch wiedereröffnen muss. Ob man einen Herzinfarkt überlebt, hängt nicht nur davon ab, wie schnell man Hilfe bekommt. Es kommt auch darauf an, ob es dabei zu Kammerflimmern kommt, wie gross der Schaden am Herzmuskel ist und wie lange das Gehirn während des Herz-Kreislauf-Stillstands ohne Sauerstoff war.

Warum verstopft das Gefäss?

In der Wand der Herzkranzgefässe kann es im Laufe der Jahre zu einer chronischen Entzündung kommen, dabei können sich Blutfette und Kalk einlagern. Das merken die Betroffenen meist lange nicht. An der Innenwand der Gefässe bilden sich sogenannte Plaques. Bei einer starken Belastung, wie beispielsweise einer sportlichen Höchstleistung, können diese Plaques aufbrechen. Dadurch kann sich ein Blutgerinnsel bilden, das dann eben ein Herzkranzgefäss verstopfen und zum Herzinfarkt führen kann.

Aber zwischen 30 und 40 Jahren würde man das nicht unbedingt erwarten?

Viele sind sich dessen nicht bewusst, aber ab 35 Jahren ist der Herzinfarkt die häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod in westlichen Ländern. Wir haben manchmal Patienten um die 30.

Gibt es da auch gewisse Risikogene?

Wir kennen bei den angeborenen Herzerkrankungen, die zum plötzlichen Herzstillstand führen können, inzwischen mehr als 150 Gene, die das Risiko erhöhen. Bei einem Herzinfarkt ist das anders. Da geht es um äussere Risikofaktoren wie Rauchen und körperliche Inaktivität. Aber auch hier gibt es genetische Prädispositionen, die nicht den Herzmuskel selbst, sondern zum Beispiel die Blutfette beeinflussen. Wichtig sind die Werte des LDL-Cholesterins oder des Lipoproteins (a) im Blut. Sind diese Werte wegen einer genetischen Prädisposition stark erhöht, steigt das Risiko für einen Herzinfarkt auch schon im jüngeren Alter.

«Viel grösser ist das Risiko für die breite Bevölkerung, wenn man sich zu wenig bewegt.»

Viele fragen sich in diesem Zusammenhang, wie gesund Ausdauersport ist.

Insgesamt senkt regelmässiger, auch hochintensiver Sport das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es ist sehr selten, dass ein junger Sportler einen Herzinfarkt erleidet. Viel grösser ist das Risiko für die Gesundheit der breiten Bevölkerung, wenn man sich zu wenig bewegt.

Wie viel sollte man sich bewegen?

Mindestens 150 Minuten moderates Training sollten es pro Woche sein, noch besser sind 300 Minuten. Zu den Risikofaktoren für einen Herzinfarkt gehören Übergewicht, zu wenig Bewegung, Rauchen und Diabetes. Wenn inaktive oder ältere Personen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (hoch)intensive körperliche Belastungen planen, empfiehlt sich eine vorgängige kardiologische Standortbestimmung.

Bei den Herzmuskelentzündungen sind auch virale Erkrankungen wie Covid oder Grippe ein Risikofaktor. Gilt das auch für Herzinfarkte?

Nein. Aber als Grundsatz gilt: Wenn man sich krank fühlt oder Fieber hat, sollte man nicht trainieren.

Was gibt es für Warnsignale für einen Herzinfarkt?

Wenn man bei Belastungen ein Engegefühl in der Brust verspürt. Oder wenn einem bei Belastung schwindlig wird oder man sogar das Bewusstsein verliert. Das sind akute Warnsignale, und man sollte das sofort von einem Kardiologen abklären lassen. Wichtig ist, dass Frauen atypische Symptome wie Oberbauchschmerzen haben können. Jeder Athlet ab den Jugendjahren, der an Wettkämpfen teilnimmt, sollte sich mit EKG screenen lassen. Das wird in der Schweiz zwar nicht gezahlt, aber trotzdem empfohlen, und zwar alle ein bis zwei Jahre.

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